Interview: Herr Weeß, was raten Sie Menschen, die nachts wach liegen?
Dr.Hans-Günter Weeß, 45-jähriger
Diplom-Psychologe und Schlafmediziner, hat mit Kollegen am Pfalzklinikum in
Klingenmünster ein Behandlungskonzept entwickelt, das einzig-artig im südwestdeutschen
Raum ist. Im Schlaflabor werden jährlich bis zu 1400 Patienten behandelt.
Zu den Seminaren kommen Menschen aus ganz Deutschland.
Herr Weeß, wenn sechs bis zehn Prozent aller Menschen betroffen sind,
heißt das, die meisten können gut schlafen.
Wie kann man denen die Nöte der Schlechtschläfer vermitteln?
Ganz einfach:
Gehen wir einmal davon aus, sie schlafen abends normalerweise binnen zehn
Minuten ein. Ich wette mit ihnen, dass sie das heute Abend nicht schaffen.
Ja?
Ich bräuchte nur zu sagen: Sie gewinnen 10.000 Euro, wenn sie auch heute Abend
nach 10 Minuten eingeschlafen sind. Ich bin sicher, dass sie sofort anfangen
zu überlegen: Kann ich diesen Kaffee noch trinken? Was muss ich tun, dass
es unbedingt klappt? Ihre Gedanken werden nur noch um das Einschlafen kreisen.
Wenn Sie dann abends im Bett liegen, werden sie sich bemühen einzuschlafen
und das ist das, was der typische Schlafgestörte täglich macht. Er beobachtet
sich kritisch, fragt sich, ob er müde genug ist, grübelt, wenn er ins Bett
geht. Aber das führt zu einer Anspannung, die den Schlaf verhindert.
Wie sieht es denn
mit dem Schlafbedürfnis aus?
Das lässt sich nicht pauschalisieren, kann zwischen drei und zehn Stunden
liegen. Mit zunehmenden Alter, so ab 70, 80 Jahren, ist es völlig normal,
dass man nachts nicht mehr so durchschlafen kann. Das macht vielen Menschen
Sorgen. Für uns ist entscheidend, ob die Schlafdauer ausreicht, um sich am
Tage ausgeruht zu fühlen. Wie geht es dem Betroffenen tagsüber? Ist er emotional
ausgeglichen und leistungsfähig?
Einige schlafen
vorm Fernseher ein…
…..und das ist ein gutes Zeichen: Man folgt dem Programm, ist nicht auf das
Einschlafen fixiert und kommt in eine Entspannungssituation. Sobald man entspannt
ist, kommt der Schlaf von ganz alleine, es liegen keine organischen Ursachen
vor. Allerdings gilt für Patienten mit Schlafstörungen, dass sie den Schlaf
vor dem Fernseher absolut vermeiden sollten, da dadurch Schlafdruck aufgebaut
wird und der Schlaf im Bett noch schlechter wird.
Ein Plädoyer für
einen Fernseher im Schlafzimmer?
Nein. Nichts, was mit Alltag zu tun hat, sollte im Schlafzimmer sein. Das
Steuerrecht hat auf dem Nachtisch genau so wenig zu suchen, wie ein beleuchteter
Wecker, der nachts zum Rechnen anregt. Man braucht eine kuschelige Wohlfühloase,
um die Seele baumeln zu lassen, vernünftiges Bettzeug und Matratze, regelmäßige
Zubett- und Aufstehzeiten.
Das Viertel Rotwein?
Ist die Selbstmedikation vieler Patienten. Das macht müde und emotional gelassen,
eine Grundvoraussetzung für Schlaf. Mehr sollte es aber nicht werden, bei
Frauen sogar nur ein Achtel, sonst geht der Schuss nach hinten los, denn Alkohol
unterdrückt den Tief- und Traumschlaf und führt auch tz nächtlichem Erwachen.
Was raten Sie Menschen,
die nachts wach werden?
Liegen bleiben und entspannt sein! Mehr als aufs Klo zu gehen, wäre völlig
falsch. Der Biorhythmus folgt einer hochpreisen Uhr. Ich habe Patienten, die
mitten in der Nacht bügeln oder an den Schreibtisch gehen. Die weckt dann
der Körper nach kürzester Zeit nachts zum Bügeln. Man kann nur schlafen, wenn
man vom Alltag entpflichtet ist.
Sich geborgen zu
fühlen, kann schwierig sein für Menschen, die vor Prüfungen stehen oder Kummer
haben.
Gelegentlich stecken hinter dauerhaften Schlafstörungen psychische Probleme.
Die seelischen Hintergründe werden oft vernachlässigt, müssen aber immer abgeklärt
werden. Medikamente können - wenn überhaupt - nur die Symptome behandeln,
nicht dauerhaft greifen. In unseren Seminaren helfen wir immer auch bei Stressbewältigung.
Wir befähigen die Patienten ihre eigene Schlaftablette zu werden. (Foto: privat)
Artikel: Rheinpfalz-Zeitung 07.01.2010
Hans-Günter
Weeß